Kasza, Peter - Das Wunder von Bern by Fussball spielt Geschichte

Kasza, Peter - Das Wunder von Bern by Fussball spielt Geschichte

Autor:Fussball spielt Geschichte
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Als Außenseiter reisten sie in Spiez am Thuner See an, und sie bekamen es dauernd unter die Nase gerieben. Sie teilten sich einen Trainingsplatz mit dem Titelverteidiger aus Uruguay. Wenn Herberger seine Männer nach dem Training der Uruguayaner auf den Platz führte, klappte die internationale Presseschar die Blöcke zu und ging. Etwas gestelzt konstatierte Fritz Walter: »In unserer sehr nüchternen und sachlichen Art warten wir, bis sich die Zuschauer verlaufen, und nur noch unsere Anhänger auf dem Platz sind. Das Training umfasst ein reichliches Pensum an Laufarbeit.«3

Die Residenz hatte Herberger mit Bedacht gewählt. Ruhig sollte sie sein und deshalb hatte ihm sein Location-Scout vor Ort auch dringend vom Hotel Krone in Solothurn abgeraten, das ihm vom Schweizerischen Fußballverband offeriert worden war. Da würden stündlich die Kirchturm-Glocken bimmeln, meldete Albert Sing, Herbergers Mann für besondere Aufgaben in der Schweiz: »Herr Herberger, das ist unmöglich, dass man hier ein Trainingslager macht.« Stattdessen zogen die Ungarn in Solothurn ein. Die Deutschen gingen ins Belvédère nach Spiez. Sing hatte es im Vorfeld auch übernommen, Hoteldirektor Jean Urben von den Vorteilen der deutschen Gäste zu überzeugen, denn der war anfangs ganz und gar nicht begeistert von der Idee, waren doch 80 Prozent seiner Stammgäste aus Holland. Die waren ob der Grausamkeiten der Besatzungszeit nicht besonders gut auf die Deutschen zu sprechen. »Die wären natürlich ausgezogen, wenn da ein Deutscher gekommen wäre«, erinnert sich Sing. Hoteldirektor Urben fürchtete Umsatzeinbußen – doch Sing konnte ihn überzeugen. »Das war so leicht nicht. Ich konnte ihm ja nicht sagen: Hallo, wir werden Weltmeister und nachher wird Ihr Hotel bekannt. Aber ich habe ihm natürlich schon gesagt: Die Deutschen werden ihnen die Bude einrennen.«

Die Erinnerung der Schweizer an Deutschland in Verbindung mit Fußball war ohnehin nicht die beste: Am 2. Mai 1937 war die deutsche Mannschaft nach Zürich gekommen und mit ihr 11.000 Schlachtenbummler inklusive Hakenkreuzfahnen und Sieg-Heil-Rufen. Versailles hatten sie gerade hinter sich gelassen, Wien war schon in Sichtweite. Damals waren sie wieder wer, und das zeigten sie auch. Gerade deshalb war die Verabschiedung der deutschen Fußballfans aus der Schweiz nicht sehr schmeichelhaft. Kleine Kinder streckten ihnen die Zunge raus und die Alten drohten ihnen mit dem Stock, Steine und Fäuste flogen. Daran haben sie sich lange erinnert, die Schweizer.4

Fragt man heute die alten Einwohner von Spiez, ob sie sich denn noch an die Mannschaft von 1954 erinnern, heißt es einmütig »Nein.« Erst nach längerem Nachdenken entwickelt sich ein blasses Bild von damals: Die Deutschen seien immer einheitlich gekleidet gewesen. Vom Hut bis zu den Schlappen im DFB-Outfit, Graue Hosen, grüne Sakkos. Das, sagen die Spiezer, sei ihnen sehr, sehr positiv aufgefallen. Schon damals hatte der Bürgermeister der kleinen Gemeinde den Deutschen sein Lob ausgesprochen: »Zu keinem Zeitpunkt ist die große deutsche Expedition in Spiez aufgefallen. Mit Zurückhaltung und Bescheidenheit haben sie den deutschen Sport im Ausland würdig vertreten.«5 Harmlos wirkten sie, und das sollten sie auch.



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